Deutsch-Polnische Schulbuchkommission
Die 1972 unter dem Dach der UNESCO-Kommissionen beider Länder gegründete Gemeinsame Deutsch-Polnische Schulbuchkommission war bis 1990 die zentrale Plattform der Kooperation zwischen Historikern und Geographen in Deutschland und in Polen. Heute arbeitet die Kommission unter völlig veränderten Bedingungen, haben doch deutsche und polnische Wissenschaftler*innen vielfältige Foren, um sich zu begegnen und zusammenzuarbeiten. Dennoch bildet die Schulbuchkommission weiterhin ein starkes, von Vertrauen und langjähriger Zusammenarbeit getragenes Netzwerk und ist ein Eckpfeiler der internationalen Schulbuchforschung. Sie wirkt damit weit über die deutsch-polnischen Beziehungen hinaus, was vielfältige Arbeitskontakte mit Wissenschaftler*innen aus Europa und Ostasien belegen.
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Ziele
Die Kommission verfolgt das Ziel, den fachwissenschaftlichen Dialog zu Schulbuchfragen zu vertiefen. Mittels ihrer Expertise und einer regelmäßigen wissenschaftlich-didaktischen Analyse deutscher und polnischer Lehrwerke wirkt die Kommission auf eine sachgemäße und angemessene Repräsentation des jeweiligen Nachbarn im Unterricht hin. Auf ihrer Präsidiumssitzung in Słubice im Juni 2023 hat sich die Kommission über ihre weitere strategische Entwicklung und einschlägige Leitplanken verständigt. Zentrale Schwerpunkte bleiben die bilaterale Forschungspraxis zu Bildungsmedien und deren Vermittlung sowie die Implementierung eigener Produkte wie das gemeinsame Schulbuch „Europa – Unsere Geschichte“, Unterrichtsmaterialien und digitale Module. Neben der Praxisorientierung wird in den Bereichen Public History/Neue Bildungsmedien, Digitalisierung und Musealisierung eine wissenschaftliche Profilschärfung in den Blick genommen, insbesondere zu den Themen Gewalt und Bewältigung von Gewalterfahrungen, transnationale Verständigungs- und Dialogformate, kulturelle Vielfalt/offene Gesellschaft, deutsche und polnische Vorstellungen über europäische Nachbarn. Angestrebt werden breitere Spillover-Effekte durch Kooperation mit anderen bilateralen Initiativen, die im GEI-Netzwerk EFREC mitwirken. Damit soll die internationale Positionierung der Kommission weiter ausgebaut werden.
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Vorgehensweise
Die Kommission unterzieht die deutschen und polnischen Lehrpläne in Geschichte und Geographie einem gegenseitigen Revisionsprozess, der angesichts der unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven notwendig ist, um eine wissenschaftlich korrekte und pädagogisch verantwortbare Darstellung der gegenseitigen Beziehungen zu erreichen bzw. zu erhalten. Dazu veranstaltet die Kommission ihre jährlichen Präsidiumssitzungen sowie Fachkonferenzen und verleiht den Maria-Wawrykowa-Preis für langjähriges Engagement im deutsch-polnischen Schulbuchdialog und besonders für die schulische Vermittlung der Anliegen der Kommission. Bei diesen Formaten beschäftigt sie sich auch mit Fragen der Implementierung eigener didaktischer Produkte und Empfehlungen in Schulbüchern, Lehrplänen und im Unterricht.
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Ergebnisse
Die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission erwarb sich ihre Reputation dadurch, dass sie erfolgreich über politische Systemgrenzen bzw. erinnerungspolitische Differenzen hinweg Schulbuch- und Lehrplanrevisionen erarbeiteten und mit der Erarbeitung der bilateralen Schulbuchreihe „Europa – Unsere Geschichte“ einen vollständigen Produktionszyklus der bilateralen Schulbucharbeit vom Schulbuchdialog über Quellensammlungen zum regulären Schulbuch vollenden konnte. Seit 2009 war die Kommission an der Entwicklung des gemeinsamen, auf vier Bände angelegten deutsch-polnischen Geschichtsbuches „Europa. Unsere Geschichte” maßgeblich beteiligt. Band 1 („Von der Ur- und Frühgeschichte bis zum Mittelalter“) wurde im Juni 2016 in zwei inhaltlich und gestalterisch identischen Sprachfassungen der Öffentlichkeit vorgestellt und steht seitdem für den Einsatz im Geschichtsunterricht in Deutschland und Polen bereit. Band 2 („Neuzeit bis 1815“) wurde im September 2017 veröffentlicht und Band 3 („Vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg“) ist im Sommer 2019 erschienen. Band 4 („20. Jahrhundert bis zur Gegenwart“) liegt seit Juni 2020 vor. Mit diesem bilateralen Schulbuch setzt die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission wissenschaftsdidaktische Standards für einen transnational bzw. europäisch orientierten Geschichtsunterricht.
►Zur Website: Europa. Unsere Geschichte
2018 wurde ein deutsch-polnischer Arbeitskreis für Lehrer*innen bei der Kommission eingerichtet. In dieser Entscheidung spiegelt sich zum einen der Wunsch der Kommission, für die Implementierung des gemeinsamen Schulgeschichtsbuchs stärker Expert*innen aus der Schulpraxis einzubinden. Zum anderen entspricht es dem Anliegen der Lehrkräfte beider Länder, mit ihrem Expertenwissen zur Weiterentwicklung der Lehrmittel beizutragen. Damit einhergehende Lehrer- und Autorenfortbildungen finden mehrmals im Jahr statt. 2020 wurden vier Vertreter des Arbeitskreises als Präsidiumsmitglieder kooptiert. Damit entstand ein neues Instrument für eine effizientere Synergie von Wissenschaft und Unterrichtspraxis: Die von der Kommission erarbeiteten Inhalte werden gezielter an Lehrkräfte beider Länder vermittelt. Diese wiederum bereichern mit ihren Erfahrungen und Ideen aus der pädagogischen Praxis die Arbeit der Kommission.
►Zum Lehrkräfte-Arbeitskreis auf der Website der Kommission
Im Juni 2017 wurde die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission für ihre Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung mit dem Viadrina-Preis der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) ausgezeichnet.