Die Darstellung, Vermittlung und Aneignung kolonialer Geschichte im Humboldt Forum in Berlin

Die Debatte über Kolonialismus und seine anhaltende Bedeutung hat in den letzten zwei Jahrzehnten in Wissenschaft und Öffentlichkeit an Intensität gewonnen, während Kolonialismus als Unterrichtsthema im Geschichtsunterricht in Deutschland nach wie vor wenig Aufmerksamkeit zukommt. In Geschichtsschulbüchern und Curricula wird die europäische Kolonialherrschaft in der Regel als Aspekt des Imperialismus als einer abgeschlossenen Epoche der europäischen Geschichte behandelt, bei der die Perspektive der Kolonisierten vielfach ausgeschlossen wird. Auch die Dynamik zwischen der außereuropäischen Welt und Europa und insbesondere die Bedeutung der kolonisierten „Anderen“ für das europäische Selbstbildes wird in der Regel ausgeblendet. Diese Weichenstellung birgt die Gefahr, dass die immer wieder konstatierte Amnesie im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit anhält. In einer solchen Situation können von Museen als außerschulischen Lernorten neue Impulse ausgehen, da sie als Katalysatoren gesellschaftlicher Debatten kontroverse Themen verdichten und die Aneignung des Themas in anderen Medienkonstellationen anbieten. Das Projekt geht der Frage nach, auf welche Weise das Humboldt Forum Schüler*innen zur Auseinandersetzung mit Kolonialismus, kolonialer Geschichte und Kolonialität einlädt und inwieweit se dabei seinem Anspruch gerecht wird, ein multiperspektivischer Ort der Debatte in einer von Diversität geprägten Gesellschaft zu sein.

Das Projekt ist mit dem internationalen Verbundprojekt "Making Histories" assoziiert, innerhalb dessen vergleichende Perspektiven mit Fallstudien zu Museen in anderen Ländern (z.B. in Italien, Belgien und Spanien) hergestellt werden.

  • Ziele

    Das Ziel des Projektes ist, die Darstellung, Vermittlung und Aneignung kolonialer Geschichte im Humboldt Forums zu untersuchen. Im Zentrum stehen dabei die Aneignungspraktiken von Schüler*innen, die das Humboldt Forum als außerschulischen Lernort mit spezifischen Medienkonstellationen erfahren und sich dort mit Kolonialismus, kolonialer Geschichte und Kolonialität auseinandersetzen. Die Leitfrage der Untersuchung ist, inwieweit das Humboldt Forum als Katalysator gesellschaftlicher Debatten und Lernort mit spezifischen Medienkonstellationen Impulse generieren kann, die zur Dekonstruktion kolonialer Denk- und Wahrnehmungsschemata beitragen.


    Die Untersuchung wird von der Annahme geleitet, dass das Humboldt Forum diverse innovative Ansätze in der Bildungsarbeit entwickelt, die die Dekonstruktion kolonialer Denk- und Wahrnehmungsschemata möglich machen. Gleichzeitig steht die Beharrungskraft kolonialer Museumsstrukturen, die das Verhältnis zwischen Europa und der außereuropäischen Welt als Subjekt-Objekt-Beziehung inszenieren, derzeit noch einer weiterreichenden Dekolonialisierung der Institution im Wege. Daher ist die offene Frage, ob die Widersprüchlichkeit des Ortes in Hinblick auf Lernprozesse hemmend ist oder sogar produktive Kraft entfalten kann.


  • Vorgehensweise

    Um das Potential des Humboldt Forums als Lernort zu erkunden, werden ausgewählte Repräsentationen kolonialer Geschichte in den Räumen, Ausstellungen und Medien analysiert sowie die Praktiken der Darstellung, Vermittlung und Aneignung in den Ausstellungen und in Veranstaltungen, insbesondere in Workshops für Schüler*innen, mit Hilfe von teilnehmender Beobachtung und Interviews rekonstruiert. Dabei wird das Humboldt Forum sowohl als konkreter Lernort, der den schulischen Unterricht produktiv ergänzt, als auch als Labor verstanden, in dem Ansätze erprobt werden, die möglicherweise in die Schule übertragen werden können. Die Untersuchungsfragen der Studie beziehen sich auf die Ebenen der Darstellung und Vermittlung auf der einen und der Aneignung auf der anderen Seite:

    1. Wie thematisiert das Humboldt Forum in seiner Vielstimmigkeit koloniale Geschichte, Kolonialismus und Kolonialität in den Ausstellungen und Bildungsangeboten und wie positioniert es sich dazu?
    2. Wie eignen sich Schüler*innen die Ausstellungen und Bildungsangebote des Humboldt Forums, insbesondere in Bezug auf die Themen koloniale Geschichte, Kolonialismus und Dekolonialisierung, in ihrer Komplexität, Kontroversität und Widersprüchlichkeit an?

    Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Spannungsfeld zwischen (1) den Leitideen Multiperspektivität, Diversität und Dialog, (2) der Darstellungen von Gewalt und (3) den medialen und pädagogischen Strategien, die Momente der Überraschung, Irritation und Dissonanz nutzen.


  • Ergebnisse

Projektteam

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