„Verständigung muss man sich immer wieder neu erarbeiten“
Am 3. und 4. Dezember fand die erste Konferenz der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission im Europasaal des Auswärtigen Amtes statt. Unter dem Titel „Differenz übersetzen. Über die (Miss)Verständlichkeit von Konzepten im deutsch-israelischen Diskurs“ loteten namhafte Wissenschaftler beider Länder – unter anderem Prof. Dr. Simone Lässig, Prof. Dr. Dan Diner, Prof. Dr. Alfons Kenkmann und Prof. Dr. Moshe Zimmermann – Risiken und Chancen im gemeinsamen Dialog aus. Auf der Tagung, initiiert vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut, wurden auch erste Ergebnisse der gegenseitigen Schulbuchdarstellungen präsentiert.
„Verständigung muss man sich immer wieder neu erarbeiten“, so Simone Lässig, Direktorin des Georg-Eckert-Instituts. Denn Deutsche und Israelis sprechen nur scheinbar die gleiche „Sprache“. Oft zeigten sich im Gespräch über Konzepte wie „Nation“, „Demokratie“, „Staatsbürgerschaft“ oder „Integration“ irritierende Hindernisse, die aus den Besonderheiten beider Länder hervorgehen. Aufgabe der Wissenschaft sei es, uns zum Nachdenken darüber zu zwingen. Mit Blick auf Prozesse und Akteure „kultureller Übersetzung“ fragten deutsche und israelische Wissenschaftler deshalb nach der jeweiligen Bedeutung der Konzepte in beiden Ländern. Zudem loteten sie Möglichkeiten und Grenzen ihrer Übertragbarkeit im deutsch-israelischen Gespräch aus.
Dan Diner, Leiter des Simon-Dubnow-Instituts in Leipzig, erörtete in seinem Vortrag die Legitimitätsdiskurse Israels, für die der Holocaust eine zentrale Rolle in der westlichen Welt spiele. Mit der Globalisierung rückten aber auch andere Gedächtnisse in den Blick; mit dem Rückgang der Zeitzeugen werde auch die Erinnerung an den Holocaust vergänglich. Zugleich mahnte er mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse in Nahost Ausgleich und Kompromissfähigkeit an: „Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Wir tun jedoch gut daran, sie dort liegen zu lassen.“
Die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission
Anlass für die Konferenz war die Arbeit der „Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission“. Um aktuelle Schulbuchdarstellungen zu erforschen, hatten die Regierungen beider Länder 2010 die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission ins Leben gerufen. Sie wird seitdem vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut koordiniert. In der Kommission untersuchen Historiker, Geographen, Politikwissenschaftler und Pädagogen derzeit das Deutschland- bzw. Israelbild sowie Darstellungen der jüdischen Geschichte und des Holocaust. Es werden dazu Schulbücher aus fünf Bundesländern sowie die israelischen Schulbücher untersucht. Abschließende Ergebnisse werden 2015 vorliegen. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die meisten deutschen Schulbücher sich um eine ausgewogene Darstellug bemühen, insbesondere in der Sekundarstufe II. Besonders beim Umgang mit Bildern gebe es aber Verbesserungebedarf, da diese oft verzerrend wirkten.
Das Programm finden Sie unter: http://www.gei.de/disbk-konferenz
Die Kommission, die das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig, und das Tel Aviver „Mofet“-Institut wissenschaftlich koordinieren, wird durch das Auswärtige Amt und das israelische Erziehungsministerium gefördert. Das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung analysiert Bildungsmedien aus kulturwissenschaftlich-historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Zudem berät es (inter-) nationale Bildungsakteure und unterstützt Wissenschaftler mit seinen Infrastrukturen und der international einzigartigen Forschungsbibliothek. Das GEI ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
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