Darstellungen der jüdischen Geschichte, Kultur und Religion in Schulbüchern des Landes Nordrhein-Westfalen
Gefördert vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSB) untersuchte das GEI von 2019 bis 2022 aktuell in NRW zugelassene Schulbücher im Hinblick auf die Darstellung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion. Den Hintergrund des Projekts bildete die Diskussion über alten und neuen Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft und die Frage, welche Rolle Schule und Bildung dabei spielen – sowohl im Hinblick auf die mögliche Verbreitung antijüdischer Stereotype als auch unter dem Gesichtspunkt der Antisemitismusprävention.
Ziele
Gegenstand der Untersuchung war die Darstellung von Juden und Judentum sowie Israels und des Nahostkonflikts in offiziell in NRW zugelassenen Schulbüchern der Fächer Geschichte, Gesellschaftslehre, Politik, Geographie, Wirtschaft, Praktische Philosophie, Deutsch sowie in Schulbüchern für den katholischen, evangelischen und islamischen Religionsunterricht. Im Vordergrund stand die Frage, inwieweit es in den Schulbüchern gelungen ist, die genannten Themen vorurteilsfrei und in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen bzw. ob Stereotype oder Verzerrungen in die Darstellung einfließen, die möglicherweise geeignet sind, antisemitische Einstellungen hervorzurufen oder zu fördern.
Vorgehensweise
Untersucht wurden insgesamt 252 Schulbücher der genannten Fächer; es handelt sich um die bisher umfangreichste Schulbuchanalyse zu diesem Gegenstand. Angesichts der großen Zahl der für das Fach Deutsch zugelassenen Schulbücher konnte hier nur eine Stichprobenanalyse durchgeführt werden; das gleiche gilt für die digitalen Versionen – zumeist im PDF-Format mit Zusatzfunktionen – der gedruckten Schulbücher. Die Bücher wurden von Mitarbeiter*innen des GEI, aber auch von externen Expert*innen mittels qualitativer Inhaltsanalyse untersucht; bei der Bearbeitung der Schulbücher für das Fach Geschichte arbeitete das GEI eng mit dem Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik an der Universität Leipzig sowie mit dem Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main zusammen.
Ergebnisse
Der Untersuchungsbericht wurde im Frühjahr 2022 in einer Vorab-Version dem MSB vorgelegt. Im Februar 2023 wurde der Abschlussbericht vor dem Ausschuss für Schule und Bildung des Nordrhein-Westfälischen Landtags vorgestellt. Er ist auf der Webseite des MSB abrufbar:
https://www.schulministerium.nrw/antisemitismus-abschlussbericht-gei
Die Untersuchung ergab, dass die Qualität der Darstellungen jüdischer Geschichte, Religion und Kultur sehr unterschiedlich ist, teils in ein und demselben Schulbuch. Offen antisemitische Darstellungen kommen in den untersuchten Schulbüchern nicht vor, wohl aber in einigen Lehrwerken mehr oder minder stark stereotypenbehaftete Bilder von Juden, Jüdinnen und dem Judentum (etwa die häufige Evozierung einer Verbindung von Juden und Geld in den Mittelalterdarstellungen der Geschichtsschulbücher). Selten erfahren antisemitische Karikaturen oder NS-Propagandaplakate, wenn sie in entsprechenden Schulbuchkapiteln zur Illustration eingesetzt werden, eine ausreichende Kontextualisierung und Dekonstruktion. Auch der häufig kritisierte Fokus auf die jüdische Geschichte als Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung ist weiterhin in Lehrwerken anzutreffen. Bei aller Kritik ist jedoch festzustellen, dass die Schulbuchverlage sich seit einigen Jahren bemühen, ein ausgewogenes und vorurteilsfreies Bild jüdischer Geschichte, Kultur und Religion zu zeichnen und dass sich unter den neueren Schulbüchern auch sehr gelungene Darstellungen finden lassen.