Neues Wissen in neuen Medien? Gesellschaftswissenschaftlicher Unterricht in Zeiten medialen Wandels und sozialer Öffnung im 20. Jahrhundert

Die Herausforderungen des technologischen und medialen Wandels gegenwärtiger Gesellschaften spielen eine zentrale Rolle in den öffentlichen Debatten darüber, welches Wissen und welche Kompetenzen Schüler*innen in der globalen Wissensgesellschaft erwerben und in welchen Medienformaten diese vermittelt werden sollen. Dabei wirken insbesondere Perioden gesellschaft­licher Wandlungs- und Reformprozesse, die bildungspolitisch auf eine Öffnung des bestehenden Bildungssystems abzielen, als Katalysator für die Definition neuen Wissens und die damit verbundene Produktion und Einführung neuer Lehr- und Lernmittel in die Schule. Dieser Zusammenhang ist durch einen komplexen gesellschaftlichen Diskussions- und Aushandlungs­prozess gekennzeichnet, der ganz verschiedene Akteur*innen – aus Politik, Wirt­schaft, Schule und Wissenschaft – miteinander verknüpft.

Das Projekt griff diese gegenwärtigen bildungspolitischen und wissen­schaft­lichen Diskussionen über das Verhältnis von Wissens- und Medienwandel nicht nur auf, sondern zielte darauf ab, neue Impulse zu setzen, indem die Fragestellungen der aktuellen Debatten in einer historischen Perspektive für zwei Schlüsselperioden gesellschaftlichen Wandels und der Neugestaltung von Wissen und Medien für den Unterricht untersucht wurden. Das Projekt fragte nach dem Zusammenhang zwischen der Bildungsreform im Zeichen der Demokratisierung von Bildung und Gesellschaft einerseits und der Produktion von neuem Wissen und neuen Medien andererseits. Es untersuchte, wie neue Wissensinhalte durch Bildungspolitik, Wissenschaft, Lehrerschaft und Redaktionen von Schulbuchverlagen und Medienanstalten erarbeitet wurden und in welchen neuen Medienformaten sie vermittelt werden sollten. Dies erfolgte am Beispiel der Wissensproduktion für den gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht (Geschichte, Geographie, Politik/Staatsbürgerkunde bzw. Fächerverbünde) in den Medienformaten Schulbuch, Lehrfilm und Schulfernsehen. Das Forschungsvorhaben nahm dazu zwei Perioden gesellschaftlicher Transformation in den Blick: den Freistaat Braunschweig in der Weimarer Republik und das Bundesland Niedersachsen in den 1960/70er Jahren. Der Freistaat Braunschweig und das Land Niedersachsen stellten in den gewählten Untersuchungszeiträumen zum einen durch die enge Verzahnung von Bildungs- und Curriculum-Reformen mit neuartigen Medienangeboten, zum anderen durch die aktive Rolle der in der Region ansässigen Verlage und jeweils neu gegründeten bildungswissenschaftlichen Institute in Gestalt des „Forschungsinstituts für Erziehungswissenschaften“ in Braunschweig und des medienpädagogischen Zentrums an der Pädagogischen Hochschule Alfeld/Universität Hildesheim einen idealen Rahmen für eine solche Untersuchung dar.

Der innovative Ansatz dieses Projekts bestand darin, dass es erstmals die Dynamik zwischen der Erfahrung gesellschaftlichen und medialen Wandels, der Neudefinition schulischen Wissens und der Weiter- und Neuentwicklung von Bildungsmedien untersucht, die weit über die Region hinaus Ausstrahlung, Resonanz und Anerkennung fanden, und dabei drei Ebenen miteinander verknüpft: die Akteursebene, die Wissensebene und die Medienebene.

  • Ergebnisse

    Die Studie erzielte durch die Verknüpfung der neuartigen Fragestellung mit dem Untersuchungsraum neue Erkenntnisse in Bezug auf das spezifische Innovationspotenzial der Region für Bildungsreformen im 20. Jahrhundert. Darüber hinaus wurde für das Projekt eine Reihe von bisher nicht oder wenig beachteten Archivbeständen aus niedersächsischen Staats-, Universitäts- und Unternehmensarchiven sowie Bibliotheken ausgewertet und diese in einen bis dato nicht berücksichtigten inhaltlichen Zusammenhang gebracht sowie mit den Beständen des Medienarchivs des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg verknüpft.

    Die Ergebnisse wurden auf einer öffentlichen Konferenz vorgestellt, in deren Mittelpunkt – vor dem Hintergrund der longue dureé des schulischen Wissens- und Medienwandels – die Frage stand, inwieweit der zweifache Zugang von historischer Erfahrung und gegenwärtiger Problemdiagnose zu neuen Perspektiven für den gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht in Niedersachsen führen kann. Diese Konferenz umfasste Teilnehmer*innen aus allen drei Ebenen, insbesondere Vertreter*innen aus der niedersächsischen Bildungspolitik, Lehrer*innen, Didaktiker*innen und Mitarbeiter*innen der in der Region tätigen Schulbuchverlage.

    Veranstaltungen

    • Neues Wissen in neuen Medien? Bildungs- und mediengeschichtliche Perspektiven auf das 20. Jahrhundert.
      Ein Workshop am Georg Eckert Institut. Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung am 23. und 24. November 2017.

    Publikationen

    • Sammler, Steffen, New educational media for creative and socially open schooling. The aspirations and realities of Lower Saxony’s Educational Revival in the 1960s and 1970s, in: Bruillard, Eric, Anichini, Alessandra, Baron, Georges-Louis (Hrsg.), Changing media – changing schools? IARTEM 2017 14th International Conference on Research on Textbooks and Educational Media, Kongsberg 2019, S. 61–68.
    • Sammler, Steffen, Bruch Anne, Europäische Initiativen im Lehrfilmbereich und Schulfernsehen als Herausforderung für die Darstellung Europas im Unterricht (1950er bis 1970er Jahre), in Augschöll Blasbichler, Annemarie, Schütze, Sylvia, Matthes, Eva (Hrsg.), Europa und Bildungsmedien, Bad Heilbrunn 2019, S. 275–284.
    • Sammler, Steffen, Neues Wissen in Neuen Medien? Gesellschaftliche Debatten um die Praxis neuer Unterrichtsmodelle im Zeichen von Medienrevolution und sozialem Wandel in den 1960er- und 1970er Jahren, in: Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen. Arbeitskreis für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Rundbrief Nr. 26 (2018).

Projektteam

Antragsteller

Kontakt

sroll-to-top