Schulbücher und Antiziganismus. Zur Darstellung von Sinti und Roma in aktuellen deutschen Lehrplänen und Schulbüchern
Die Analyse aktueller für den Schulunterricht in Deutschland vorgesehener Lehrpläne und Schulbücher für die sinnbildenden Fächer Geschichte, Politik/Sozialkunde und Geografie sowie Gemeinschaftskunde und Gesellschaftslehre in den Sekundarstufen I und II zielte darauf ab herauszufinden, wie und in welchen Zusammenhängen Sinti und Roma in diesen vorkommen und ob Antiziganismus thematisiert wird.
Die Untersuchung wurde im Rahmen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus der Bundesregierung finanziert durch das Bundesinnenministerium.
Ziele
Die Untersuchung der aktuell geltenden Lehrpläne diente dazu, die bildungspolitische Absicht zur Verankerung der Behandlung von Antiziganismus oder der Darstellung von Sinti und Roma im Schulunterricht zu ermitteln. Lehrpläne weisen thematische Kontexte und Unterrichtseinheiten aus, die das Potenzial beinhalten, die Wertschätzung gesellschaftlicher Diversität zu fördern, Diskriminierung kritisch aufzugreifen und Kompetenzen für deren Bearbeitung zu vermitteln. Diese können von Schulbuchautor*innen dazu genutzt werden, der Darstellung von Sinti und Roma Raum zu geben oder sich mit dem Thema Antiziganismus auseinanderzusetzen. Die Lehrplananalyse identifizierte, mit welchen Schwerpunktsetzungen die Curricula die Thematisierung von Sinti, Roma und Antiziganismus in Schulbüchern und Unterricht vorprägen und wo es Fehlstellen bzw. unausgeschöpfte Potenziale gibt.
Vorgehensweise
Die quantitative Analyse eines aussagekräftigen Samples aktueller Schulbücher für allgemeinbildende Schulen in den Sekundarstufen I und II zielte darauf ab herauszufinden, wie häufig Sinti und Roma in Text- und Bildmaterialien vorkommen und identifizierte gleichzeitig die einzelnen Fundstellen für die qualitative Analyse hinsichtlich möglicher stereotyper Darstellungsweisen bzw. einer Sensibilisierung für Ausgrenzungsphänomene, Diskriminierung und Vorurteilsbildung.
Ein besonderes Augenmerk der qualitativen Schulbuchanalyse lag auf dem Verhältnis zwischen passiven und aktiven Darstellungen von Sinti und Roma. Treten sie als aktive Gesellschaftsmitglieder auf, werden Individuen namentlich erwähnt, ihre Perspektiven, Biografien und Narrative eingebunden? Werden Bezeichnungspraktiken kritisch reflektiert? Sind Initiativen und Organisationen von Sinti und Roma genannt? Werden Handlungsmöglichkeiten für Betroffene und Beobachtende von Diskriminierung aufgezeigt?
Ergebnisse
Insgesamt gibt die auf der Basis von Schulbuch- und Lehrplananalyse entstandene Expertise einen Überblick über die Darstellung von Sinti und Roma in den im Jahr 2019 in Deutschland gültigen Lehrplänen und in aktuellen Schulbüchern der 16 Bundesländer. Besonders markante Darstellungen wurden hervorgehoben, um auf Potenziale zur diskriminierungssensiblen bzw. rassismuskritischen Repräsentation von Sinti und Roma in Schulbuchdarstellungen sowie für die Diskussion von Antiziganismus insgesamt zu verweisen. Die Bestandsaufnahme diente der Unabhängigen Kommission Antiziganismus als Grundlage für Empfehlungen (S. 237–252) für die weitere Entwicklung von Lehrplänen und Schulbüchern.
Interview
Riem Spielhaus bei News4teachers: "Buchmesse: Was leisten Schlbücher, um Lehrkräften beim Thema Vielfalt zu helfen?", 15.10.2021.
Publikation
Imke Rath und Riem Spielhaus. Schulbücher und Antiziganismus: Zur Darstellung von Sinti und Roma in aktuellen deutschen Lehrplänen und Schulbüchern. Eckert. Dossiers 3 (2021). urn:nbn:de:0220-2021-0096