Die multikulturelle Vergangenheit als Wert durch die digitale Herausforderung historischer Narrative in der Türkei: Kartierung der neuen Akteure, Motive und Strategien der Anfechtung
„Ein Geschichtsunterricht, der Multiperspektivität und kritisches Denken fördert, ist der Schlüssel zur Entwicklung einer demokratischen Kultur", wie das Observatory on History Teaching in Europe (OHTE) des Council of Europe unlängst betonte (2022). Die Tatsache, dass Geschichte grundlegend an der Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses und damit der jeweiligen nationalen Identität beteiligt ist, erschwert jedoch den Unterricht zu strittigen Themen. Daher müssen neue pädagogische Methoden und Ansätze erwogen werden, um potenzielle Herausforderungen zu bewältigen und das Bewusstsein für die Verbindungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart durch die Förderung von Vielfalt, Multiperspektivität und Toleranz zu stärken.
In diesem Sinne konzentrierte sich dieses Projekt auf das Konzept, dass ein lokalgeschichtlicher Ansatz zur Vermittlung der Vergangenheit soziales Engagement und ein plurales Selbstverständnis fördern kann, das in lokaler Verbundenheit verankert ist und die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft. In Anbetracht der Tatsache, dass die digitale Transformation neuen, alternativen Stimmen ermöglicht hat, die historische Darstellungen zu bereichern und zu diversifizieren, fokussierte das Projekt darauf, die Dynamiken zu identifizieren, die die Aufnahmefähigkeit der jeweiligen vielfältigen historischen Inhalte und Erzählungen bestimmt, sowie die Möglichkeiten, die Inhalte dieser neuen Medien in den Geschichtsunterricht einzubinden.
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Ziele
Dieses einmonatige Stipendium zielte darauf ab, eine erste Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Akteure, die unterschiedliche Narrative der Vergangenheit auf Online-Plattformen etablieren, abzuschließen und die Grundlage für einen umfassenderen Projektantrag zu schaffen, der auf die Beantwortung der folgenden Forschungsfragen abzielt:
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Wer sind die Akteu*innen, die auf Online-Plattformen unterschiedliche, ergänzende oder alternative Narrative und Bilder der Vergangenheit zu denen in Geschichtsbüchern präsentieren?
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Welche Materialien, Narrative und diskursive Strategien produzieren sie?
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Wie definieren sie ihre Motive und Strategien der Anfechtung?
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Wie harmonisieren oder hinterfragen sie die Erinnerungspolitik ihrer eigenen ethnisch-religiösen Gemeinschaften, einschließlich des Austauschs in den sozialen Medien?
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Welche Faktoren und Eigenschaften erleichtern oder behindern die Rezeption dieser diskursiven Produkte?
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Vorgehensweise
Nach einem theoretischen Überblick über die verschiedenen Formen des Erinnerns basiert das Forschungsdesign dieser ersten Phase in erster Linie auf einer vorläufigen quantitativen Inhalts- und Netzwerkanalyse, die darauf abzielte, die grundlegenden Merkmale der Interaktion auf den Social-Media-Accounts der beschriebenen Akteur*innen im Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2022 zu bestimmen, wie z. B. Tweets, Likes und Retweets, um so die wichtigsten von ihnen zu identifizieren und sie in der beabsichtigten vorläufigen Kartierung der neuen digitalen Akteur*innen des türkischen kollektiven Gedächtnisses zu verorten.
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Ergebnisse
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Forschung wurden im Juli 2023 auf der 7. Jahrestagung der Memory Studies Association mit dem Schwerpunkt "Communities and Change" an der Universität Newcastle (UK) vorgestellt. Es ist geplant, daraus eine begutachtete Publikation sowie den Entwurf eines langfristigen Forschungsvorhabens zu entwickeln.