European Forum for Reconciliation and Cooperation in History and Social Sciences Education (EFREC)
Durch die Revision von Schulbüchern und Lehrplänen hat der Bildungsbereich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen unschätzbaren Beitrag zum Gelingen der europäischen Aussöhnung und Verständigung geleistet und die internationale Kooperationsbereitschaft sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas gestärkt. Die im Zuge der internationalen Schulbuch- und Lehrplanrevision verabschiedeten Standards sind jedoch in den letzten Jahren in zahlreichen europäischen Ländern durch nationalistische oder fremdenfeindliche Diskurse kritisiert oder in Frage gestellt worden. Die Verhandlungsmacht der offiziellen europäischen (bildungs-)politischen Organe, die ein wesentlicher Anziehungspunkt der europäischen Expansion und ihrer Fähigkeit zur internationalen Zusammenarbeit war, ist durch den zunehmenden Einfluss nationalistischer Bewegungen beeinträchtigt worden.
Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche bilaterale Initiativen der Schulbuch- und Lehrplanrevision den Wunsch nach multilateralem Austausch und Zusammenarbeit sowie einer gemeinsamen Erarbeitung von Curricula und Lehr- und Lernmaterialien zum Ausdruck gebracht. Eine Rückkehr zu koordinierten und nachhaltigen Revisionsaktivitäten erscheint daher notwendig und sinnvoll. Das European Forum for Reconciliation and Cooperation in History and Social Sciences Education (Reconciliation Forum, EFREC) übernimmt dafür die Koordination und gestaltet diesen Prozess gemeinsam mit existierenden und neu zu etablierenden internationalen Partner*innen.
Ziele
EFREC verfolgt das Ziel, die unterschiedlichen Formate, Organisationsformen, Handlungsfelder, Methoden und Produkte der verschiedenen europäischen Initiativen zur Schulbuchrevision zusammenzuführen. Es organisiert einen regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch und koordiniert die Erstellung eines mittelfristigen Arbeitsprogramms im Rahmen eines institutionalisierten europäischen Forums für bildungsbezogene Aussöhnungs- und Revisionsaktivitäten.
Vorgehensweise
Der erste Schritt in diesem Prozess ist die Erstellung einer Übersicht über die Aktivitäten staatlicher und zivilgesellschaftlicher Initiativen in Europa im Bereich der Bildung für internationale Verständigung und Zusammenarbeit. Im Rahmen des Projektes wurde dafür ein Fragebogen entwickelt, der dem Projektteam Auskunft über die Art der Organisationen, Tätigkeitsfelder, Methoden, Produkte und ihre bildungspolitische Relevanz gibt.
Wenn Sie im Bereich der bildungsbezogenen bi- oder multilateralen Kooperation tätig sind, können Sie den Fragebogen ausfüllen und an efrec(at)leibniz-gei.de senden. Vielen Dank!
- Fragebogen (PDF)
EFREC stärkt den Austausch und die Vernetzung. Dazu organisiert es Konferenzen und regionale Workshops. Gemeinsam mit den Partnerinitiativen entwickelt das Reconciliation Forum in partizipativer Weise Leitlinien für die bi- und multilaterale Curriculumentwicklung und Schulbucharbeit.
Die Institutionalisierung von EFREC erfolgt auf der Grundlage einer digitalen Infrastruktur, die Informationen zu Produkten und Projekten der internationalen Schulbucharbeit systematisch erfasst und zur Verfügung stellt. Basierend auf den Erfahrungen und Bedürfnissen der Partnerinitiativen und in einer engen Kooperation mit ihnen entwickelt EFREC ein Workshopprogramm zur Stärkung transnationaler Zugänge in verschiedenen Geschichtsregionen Europas und unterstützt neue Projekte der bi- und multilateralen Bildungsmedienproduktion.
Ergebnisse
EFREC aktualisiert fortlaufend das Ergebnis seiner Recherche zu bi- und multilateralen Initiativen der Curriculumentwicklung und der Erarbeitung von Bildungsmedien. Das Projektteam konnte bisher über 100 Initiativen der internationalen Schulbucharbeit weltweit identifizieren. Davon weisen allein in Europa 71 einen bi- oder multilateralen Charakter auf. Die Ergebnisse der durchgeführten Umfrage zeigen, dass die meisten Initiativen in Ost- und Südeuropa sowie im Fachbereich Geschichte tätig sind und sich mit der Produktion der Schulbücher, Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien beschäftigen. Für die Vorbereitung gemeinsamer Arbeitsvorhaben und den Aufbau des Netzwerkes wurden 2021 bereits Gespräche mit Vertreter*innen von ca. 20 Initiativen geführt.
Erste EFREC-Konferenz
Am 26. und 27. April 2022 fand die Auftaktkonferenz des European Forum for Reconciliation and Cooperation in History and Social Sciences Education statt. Vertreter*innen staatlicher und zivilgesellschaftlicher Initiativen im Bereich der bildungsbezogenen Aussöhnungs- und Revisionsaktivitäten aus Europa, Afrika und Asien diskutierten über ihre Erfahrungen und Perspektiven zu folgenden Themen:
- Welche konfliktträchtigen Themen lassen sich in unmittelbaren gewaltsamen Konflikten, in Post-Konflikt-Gesellschafen und in relativ stabilen Friedensgesellschaften für die Curriculum- und Schulbucharbeit definieren?
- Welche Ergebnisformen haben sich für unterschiedliche Konstellationen bi- und multilateraler Schulbucharbeit als vorteilhaft erwiesen oder sind bei den beteiligten Akteur*innen auf Kritik gestoßen?
- Welche Organisationsformen wurden für welche spezifischen Vorhaben der bi- oder multilateralen Curriculumreform und Schulbucharbeit gewählt? Stehen von nationalen Regierungen geförderte Fachkommissionen in einem komplementären Kooperations- oder in einem Konkurrenzverhältnis zu zivilgesellschaftlichen Initiativen?
- Welche Art von digitaler Infrastruktur wäre für eine nachhaltige Lehrplan- und Schulbuchrevision in Europa zweckmäßig? Wäre es sinnvoll und wünschenswert, ein Archiv internationaler Projekte und Ergebnisse in unsere digitale Infrastruktur aufzunehmen?
- Konferenzprogramm (PDF)
- Konferenzbericht (PDF)
Zweite EFREC-Konferenz
Unter dem Motto „Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen? Welches Geschichtsbuch braucht Europa im 21. Jahrhundert?“ findet am 15. und 16. September 2022 in Paris die zweite EFREC-Konferenz statt. Ziel der Tagung ist es, zusammen mit Historiker*innen, Vertreter*innen der Sozialwissenschaften und Lehrkräften aus Deutschland, Polen, Frankreich, Moldau und der Ukraine über neue Bildungsmedien für einen europäischen Geschichtsunterricht zu diskutieren.
Auf der Konferenz werden Erfahrungen aus der Arbeit an dem deutsch-französischen und deutsch-polnischen Geschichtsschulbuchprojekt ausgetauscht sowie Rahmenbedingungen, Konzepte und Inhalte für aktuelle transnationale Unterrichtsmaterialien ins Gespräch gebracht. Dabei werden wir ausloten, wie die europäische Geschichte in transnationalen Bildungsmedien erzählt wird, und mögliche Auswirkungen ihrer praktischen Verwendung in schulischen Kontexten in EU-Ländern in den Blick nehmen.
Die Konferenz wird gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Zentrum Paris der Polnischen Akademie der Wissenschaften, dem Zentrum für Historische Forschung Berlin, dem Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg Eckert Institut und dem Institut des sciences sociales du politique (CNRS-Université Paris Nanterre - ENS Paris-Saclay) organisiert.
Dritte EFREC-Konferenz
Am 9. und 10. Dezember 2022 veranstaltet das GEI mit seinen Partnern eine dritte EFREC-Konferenz: „New Perspectives for European Cooperation in History Education: A plea for collaborative curriculum development and educational media production (Romania – Moldova – Ukraine)”. Der mit der erfolgreichen Kandidatur eingeleitete EU-Beitrittsprozess der Republik Moldau und der Ukraine bietet einen einzigartigen Anlass, den Erwartungen von Bildungspolitiker*innen, Akademiker*innen und Geschichtslehrer*innen in Moldawien, Rumänien und der Ukraine eine Stimme zu geben und ihre Ideen für eine Neujustierung des Geschichtsunterrichts unter Verwendung neuer Bildungsmedien in einer vergleichenden Perspektive zur Diskussion zu stellen.
Beim EFREC-Workshop werden wir in Austausch darüber treten, was auf bildungspolitischer Ebene für die schulische und historische Bildung in Moldawien, Rumänien und der Ukraine erforderlich ist und welche Perspektiven und innovativen didaktischen Ideen diese Länder im Hinblick auf eine europäische Zusammenarbeit im Bereich der Lehrplanentwicklung und der Produktion von Bildungsmedien anbieten.
Die Konferenz wird in Kooperation mit der Ion-Creanga-Universität für Pädagogik aus Chișinău in der Republik Moldau veranstaltet und findet in hybrider Form statt.
Policy Brief
Der GEI Policy Brief 02/2023 "The European Forum for Reconciliation: A new Format for International Collaboration and Research on Educational Media" gibt einen Überblick über die seit den 2000ern zu beobachtenden Herausforderungen für die Arbeit bi- und multilateraler Initiativen in der Schulbucharbeit. Darüber hinaus beschreibt der Text, wie das multilaterale Kooperationsnetzwerk für historisch-politische Bildung in Europa diesen Herausforderungen begegnet und gibt Einblicke in EFREC's bisherige Aktivitäten und erste Ergebnisse.