Falsafa in die Schule
Die AIWG-Projektwerkstatt „Falsafa in die Schule“ (ar. falsafa; dt. Philosophie) regt einerseits den interdisziplinären Austausch zwischen den Fachwissenschaften Philosophie, Ethik und Islamische Theologie an und bereitet andererseits den vorhandenen Forschungsstand in exemplarischen Materialien für die Lehramtsaus- und -fortbildung sowie für den Schulunterricht der Fächer Philosophie, Ethik und Religion auf.
Die Projektwerkstatt greift damit Desiderate in Bildungsmedien und Lehre anhand des aktuellen Forschungsstands auf: Bisher wird Philosophie an Schulen und in den Grundstudiengängen der Fächer Philosophie, Ethik, Religion, Geschichte und Politik weitgehend ohne Einbeziehung der islamisch geprägten Philosophie gelehrt bzw. thematisiert. Das Denken von ideengeschichtlich einflussreichen Philosoph*innen bleibt so außen vor. Dies gilt auch für die wesentlichen Leistungen der islamisch geprägten Philosophie des 9. bis 12. Jahrhunderts zum Transfer von der antiken in die neuzeitliche Philosophie, die mit neuen Methoden und Erkenntnissen wesentlich zur Entwicklung der Philosophie in Europa sowie den islamischen, jüdischen und christlichen Theologien beitrugen. Durch diese lückenhafte Darstellung entsteht ein verzerrtes Bild der islamischen und europäischen Ideengeschichte, die entgegen der allgemeinen Darstellung in Bildungsmedien tatsächlich seit Jahrhunderten eng miteinander verflochten sind.
In öffentlichen Debatten, Unterricht und Lehre werden zudem vorrangig radikale islamische politische und theologische Positionen zu häufig konfliktbehafteten Themen behandelt. Pluralistische historische und zeitgenössische philosophische Positionen aus dem islamisch geprägten Kulturraum zu Werten wie Vernunft, Wissenschaftlichkeit, Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit werden, wie bisherige Schulbuchanalysen nahelegen, hingegen selten behandelt. Stattdessen wird eine scheinbare Gegensätzlichkeit von beispielsweise „Islam und Vernunft“, „Islam und Geschlechtergerechtigkeit“, „Islam und Europa“ suggeriert, die sowohl extremistische Lesarten des Islams als auch kolonialistische und islamfeindliche Narrative sogenannter „westlicher Philosophie“ bzw. „westlicher Werte“ unterstützt.
Anhand von Impulsen aus der islamisch geprägten Philosophie veranschaulicht die Projektwerkstatt beispielhaft, wie sowohl ein differenzierteres Bild von Islam und Europa, als auch von Muslim*innen und muslimisch gelesenen Menschen, in die Klassenzimmer gebracht werden können.
-
Vorgesehener Projekt-Output
- Reader zur fachwissenschaftlichen Einführung in die islamisch geprägte Philosophie für die Lehramtsausbildung der Fächer Philosophie, Ethik und Religion
- Exemplarische Unterrichtseinheiten zur islamisch geprägten Philosophie für die Fächer Philosophie, Ethik und Religion zur Veröffentlichung auf der Webplattform www.zwischentoene.info
- Webtalkreihe für Bildungsmedienverlage und Angebot zur Begutachtung von Schulbuchmanuskripten
-
Interdisziplinäres Netzwerk
Die Projektwerkstatt „Falsafa in die Schule“ möchte zu mehr Interdisziplinarität in Forschung, Lehre und Bildungspraxis anregen. Sie wird daher von einem Netzwerk aus Fachwissenschaftler*innen und -didaktiker*innen der Philosophie, Theologie (islamisch, jüdisch, christlich), Islamwissenschaft und Judaistik begleitet. In insgesamt drei Tagungen diskutieren die Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen welche Texte aus der islamisch geprägten Philosophie wie und warum in Unterricht und Lehre gelangen sollten.
1. Netzwerktagung im Mai 2024 am Georg-Eckert-Institut
Mitte Mai tagte das Falsafa-Netzwerk zum ersten Mal. Die Wissenschaftler*innen nährten sich den W-Fragen der Textauswahl (Wer, warum, wie) aus zwei Perspektiven an: Der fachwissenschaftlichen und den Bildungsmedien/Schulbüchern.
Teilnehmende: Laura Beusmann, Daniel Birnstiel, Müfit Daknili, Erdmann Görg, Tuba Işık, Mansooreh Khalilizand, Kata Moser, Ulrich Rudolph, Katharina Schulz, Mira Sievers, Riem Spielhaus, Farid Suleiman, Hannah Tzuberi, Annika v. Lüpke, Haluk Yumurtacı
Impulsvorträge:
Prof. Dr. Ulrich Rudolph:
Warum, sollten welche Inhalte aus der islamisch geprägten Philosophie wie Einzug in Schulunterricht und Lehramtsstudium der Fächer Philosophie, Ethik und Religion halten?Dr. Farid Suleiman: Welche philosophischen Inhalte sollten in Lehramtsausbildung und Schule gelangen?
Dr. Erdmann Görg: Wie können sie in Lehramtsausbildung und Schule gelangen?
2. Netzwerktagung im Dezember 2024 am Georg-Eckert-Institut
Anfang Dezember tagte das Falsafa-Netzwerk zum zweiten Mal. Vorgestellt und diskutiert wurden Zwischenergebnisse der Projektwerkstatt, neue fachwissenschaftliche und -didaktische Impulse, sowie deren Umsetzbarkeit in der schulischen Praxis.
Teilnehmende: Annett Abdel-Rahman, Laura Beusmann, Anne Burkard, Müfit Daknili, Erdmann Görg, Rotraud Hansberger, Tuba Işık, Mansooreh Khalilizand, Nadeem Khan, Batol Kobeissi, Kata Moser, Frederek Musall, Günther Nagel, Inga Piel, Katharina Schulz, Mira Sievers, Riem Spielhaus, Farid Suleiman, Annika von Lüpke, Haluk Yumurtacı
Impulsvorträge:
Dr. Rotraud Hansberger und Prof. Dr. Annika v. Lüpke:
Miskawayh im EthikunterrichtProf. Dr. Tuba Işık:
Rumī und Kalīla wa-Dimna: Philosophische Textbeispiele für den UnterrichtProf. Dr. Frederek Musall:
Jüdische Philosophie in der islamischen Welt: Von Maimonides bis heuteProf. Dr. Kata Moser:
Säkularismus in der islamisch geprägten PhilosophieProf. Dr. Annett Abdel-Rahman:
Al-Ghazāli: Von den Pflichten der Freundschaft und Bruderschaft3. Netzwerktagung findet im Juni 2025 an der Universität Hamburg statt.
Das Projekt „Falsafa in die Schule – Impulse der islamisch geprägten Philosophie für Lehramtsausbildung und Bildungsmedien“ wird gemeinsam umgesetzt von Wissenschaftler*innen am Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) und an der Universität Hamburg im Rahmen der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) unter Vorbehalt der Förderung durch das BMBF.