Vielfaltsgeschichten aus der Ukraine, Polen und der Türkei
Das Modellprojekt zielte auf die Konzeption und Erstellung digitaler Lehrmaterialien zu transnationalen und transregionalen Verflechtungen anhand von konkreten Orten.Auf Grundlage innovativer Ansätze und vorhandener Materialien zu erinnerungskulturellen entwickelte das Projekt partizipativ multilinguale und digital verfügbare Bildungsmaterialien für den schulischen und außerschulischen Gebrauch auf der Basis von Oral History und Lokalgeschichte. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei mehr- bzw. originalsprachliche Quellen, die für die Bildungspraxis aufbereitet wurden. Im Modellprojekt erstellte bilinguale Lehr- und Lernmaterialien zur Geschichte von Vielfalt konnten in herkunftssprachlichen Bildungsangeboten für Türkisch, Polnisch und Ukrainisch ebenso wie im klassischen Geschichtsunterricht sowie außerschulisch genutzt werden. Diese drei sprachlichen Kontexte reflektierten die zwei größten Migrant*innengruppen in Deutschland sowie aktuelle Bedarfe jüngster Zuwanderung und erinnerungspolitische Kontroversen im Kontext eines aktuellen Konflikts. Deutsch-türkische Materialien widmeten sich der Vielfaltsgeschichten vor dem Hintergrund des Vertrags von Lausanne, der sich 2023 zum hundertsten Male jährte.
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Ziele
Ziel des Modelprojekts war es, bilinguale Lehr- und Lernmaterialien zur Vielfaltsgeschichte zu erstellen, die in Deutschland im Geschichtsunterricht sowie in herkunftssprachlichen Bildungsangeboten (polnisch, türkisch, ukrainisch) genutzt wurden und Impulse für außerschulische Bildungsangebote historischen Lernens geben konnten. Ein weiterer Einsatzort für die bilingualen Materialien wären Deutsche Auslandsschulen und dort angesiedelte außerschulische Lehr- und Lernangebote gewesen.
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Vorgehensweise
Ausgangspunkt für die Entwicklung der Materialien war jeweils eine Bestandsaufnahme zu Lehrplänen, Schulbuchinhalten und den Rahmenbedingungen für das historische Lernen in Deutschland, Polen, der Türkei und der Ukraine sowie die Erschließung vielversprechender historischer Beispiele für individuelle Geschichten mit lebensweltlichen Bezügen aus verflechtungsgeschichtlicher Perspektive. Die Bestandsaufnahme diente in erster Linie der Identifikation erinnerungskultureller Kontroversen und Ansätze für transnationale und transregionale europäische Erzählungen sowie von Lücken in den Narrativen in Bezug auf die ehemalige bzw. heutige gesellschaftliche Vielfalt.
Zur Verankerung des Ansatzes in der Bildungspraxis dienten Fortbildungen und Workshops für Lehrkräfte und Bildungsmedienproduzentinnen sowie das Angebot an Bildungsmedienverlage für themenbezogene Beratung und Expertise. Die Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien sowie die Durchführung der Workshops mit Bildungspraktikerinnen in Deutschland, Polen, Ukraine und der Türkei wurde am GEI durch Personen mit ausgewiesenen Sprachkenntnissen und mit einschlägiger Expertise zu regionalen erinnerungskulturellen Diskursen durchgeführt. Bei der Erarbeitung griffen diese auf langjährige Kontakte zu Erinnerungsinitiativen, Lehrkräfteorganisationen, Historikerinnen und Geschichtsdidaktikerinnen in Deutschland sowie den drei im Projekt fokussierten weiteren Ländern zurück.
Auf der Grundlage von Sichtungen deutscher, polnischer, türkischer und ukrainischer Lehrpläne und Schulbücher (Bestandsaufnahmen) sowie lokalen Ansätzen erinnerungsgeschichtlicher Initiativen entwickelte das Projekt sechs digitale Unterrichtskonzepte zur Veröffentlichung über www.zwischentoene.info (ggf. auch über reflections.eduskills.plus oder hi-storylessons.eu), die vom GEI bzw. dessen Partnern gehostet werden. In diesem Kontext wurden drei Online-Workshops mit Lehrkräften, Historikerinnen und Vertreterinnen von Erinnerungsinitiativen durchgeführt. Der dabei entwickelte lokalgeschichtliche Zugang sowie die Materialien wurden in sechs Fortbildungen für Lehrkräfte und Bildungsmedienverlage, bei Bedarf Verlagsberatungen für einschlägige Textpassagen und Schulbucheinheiten Lehrkräften, Autorinnen und Redakteurinnen in Bildungsmedienverlagen und anderen Bildungspraktiker*innen zur Verfügung gestellt. Die Projektmitarbeitenden nutzten zudem weitere Möglichkeiten, die im Projekt erarbeiteten und zusammengestellten didaktischen Inhalte in geeigneten Formen wie Interviews, Zeitschriftenartikeln und Fachartikeln etc. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
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Ergebnisse
Unser Projektteam betrachtete iterative Evaluation und Überarbeitung als integralen Bestandteil des Projekterfolgs. Das Team hat intensiv mit Forschenden, Praktizierenden und Bildungsmedienverlagen zusammengearbeitet, um ihre Outputs zu optimieren.
Diese Aktivitäten und Kooperationen umfassten:Entwicklung von Unterrichtskonzepten
- „Der Beginn des Holocausts in der Ukraine im September 1941: Die Tragödie der Opfer von Babyn Yar und das Gedenken an sie“ (Autoren: Yurij Shapoval, Yulia Ostropalchenko) auf Deutsch und Englisch verfügbar und in Kürze auch auf Ukrainisch.
- „Spuren jüdischer Geschichte in meiner Stadt: Vorbereitung eines Schulprojekts auf der Suche nach einer verlorenen Welt“ (Autorin: Katarzyna Jez, Didaktikerin: Nataliia Tkachenko) wird auf Deutsch und Polnisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: Februar 2025.
- „Von Berlin an den Bosporus: Die Geschichte deutsch-jüdischer Intellektueller in der Türkei der 1930er Jahre und ihr Einfluss auf die moderne Türkei“ (Autor: Önder Cetin, Didaktiker: Mehmet Oyran) wird auf Deutsch und Türkisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: März 2025.
- „Krimtataren und andere Völker der Krim zwischen 1944 und 2023: Der lange Weg nach Hause“ (Autoren: Yurij Shapoval, Yulia Ostropalchenko) wird auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: April 2025.
- „Jüdischer Widerstand gegen das NS-Regime: Die Geschichte von Herschel Grynszpan“ (Autorin: Katarzyna Jez, Didaktikerin: Stephan Teilig) wird auf Deutsch und Polnish verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: Mai 2025.
- „Ladino: Eine Geschichte der Interkulturalität und sprachlicher Identität und ihre Spuren im Alltag“ (Autor: Önder Cetin, Didaktiker: Osman Kösen) wird auf Deutsch und Türkisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: Juni 2025.
- „Von Rogalin nach Berlin und von Bamberg nach Poznań: Wenig bekannte Beispiele der Migration“ (Autorin: Katarzyna Jez, Didaktikerin: Wiesława Araszkiewicz) wird auf Deutsch und Polnisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: Juli 2025.
- „Von Germanic zu Gülcemal: Eine historische Reise auf einem Schiff, mit (Migrations)Geschichte“, (Autor: Önder Cetin, Didaktiker: Mehmet Oyran) wird auf Deutsch und Türkisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: August 2025.
- „Personalisierte Vielfalt: Begegnung mit vielen verschiedenen Gesichtern der Ukraine im Laufe der Zeit“ (Autoren: Yurij Shapoval, Yulia Ostropalchenko) wird auf Deutsch, Englisch und Ukrainisch verfügbar sein; geplante Veröffentlichung: September 2025.
Workshops und Fortbildungsseminare mit Lehrkräften
- 7. September 2023. Imke Rath und Yulia Ostropalchenko organisierten „Sprache und Diversität: Unterrichtsmaterialien für Vielfalt im Klassenzimmer" in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Schule Bremen.
- 14. November 2023. Imke Rath und Önder Cetin organisierten "Mehrsprachigkeit als Ressource" in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg.
- 18.-19. November 2023. Katarzyna Jez und Yulia Ostropalchenko beteiligten sich am thematischen Workshop zur Regionalgeschichte im Unterricht im Rahmen von "Building Bridges for Peace" (Brücken bauen für Frieden), der vom GEI, International Delphic Council und dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften für deutsche, polnische und ukrainische Lehrkräfte mitorganisiert wurde.
- 17.-18. November 2023. Imke Rath und Yuri Shapoval beteiligten sich am Workshop "Wie kann man ukrainische Geschichte in Deutschland, Polen und anderen Ländern der Europäischen Union unterrichten? Neue transnationale Perspektiven für den Geschichtsunterricht in der Schule", organisiert in Zusammenarbeit mit der Ukrainischen Freien Universität München (UFU), dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften Berlin (CBH PAN) und dem Viadrina Centre of Polish and Ukrainian Studies an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
- 21. November 2023. Katarzyna Jez beteiligte sich am Workshop "Geschichte in Dialog - Deutsch-Polnischer Geschichtsworkshop für Multiplikatoren aus der Jugendarbeit", der vom GEI in Zusammenarbeit mit der EuropeUnion Kassel und dem Stowarzyszenie "Warto Być Przyzwoitym" am Polnischen Institut Berlin − Filiale Leipzig mitorganisiert wurde.
- 28. November 2023. Imke Rath und Önder Cetin organisierten „Mehrsprachigkeit als Ressource" in Zusammenarbeit mit der Regionalen Fortbildung Berlin der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, dem Institut für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern und dem Institut für Qualitätsentwicklung an den Schulen Schleswig-Holstein.
- 15. Mai 2024. Önder Cetin organisierte "Mehrsprachigkeit als Ressource: HSU zur Förderung von Diversity-Kompetenzen" in Zusammenarbeit mit dem Bildungscampus Saarland, Ministerium für Bildung und Kultur- Saarland.
- 14. März 2025. Önder Cetin wird "Revisiting HSU as a Means of Fostering Diversity Education and Multilingualism as a Resource" organisieren, einen Workshop für HSU-Lehrkräfte in Türkisch im Rahmen des zweiten Online-Treffens von HSU-Interregio.
Treffen mit Verlagen und Autoren
- 7. Februar, 21. November 2023; 31. Mai 2024. Treffen des Projektteams mit den Redakteuren des Klett Verlags im Rahmen der "GEI-meets-Klett" Gesprächsreihe.
- 25. September 2023. Treffen von Önder Cetin mit dem Redakteur des Anadolu Verlags, Tolga Çelik.
- 24. April 2024. Treffen von Önder Cetin mit Prof. Dr. Yüksel Ekinci, dem Autor der „Benim Türkçem"-Reihe des Önel Verlags.
Wissenschaftlicher Austausch mit Forschenden
- 15.-16. September 2022. Yuri Shapoval beteiligte sich an der Podiumsdiskussion "Forgotten Central Europe? How should Ukrainian history be taught in EU countries and European history in Ukraine today?" im Rahmen der 2. EFREC-Konferenz "Learning from the past for the future: What history textbook does Europe need in the 21st century?", organisiert in Kooperation mit dem Centre Scientifique de Paris und der Polnischen Akademie der Wissenschaften.
- 28.-29. September 2022. Yuri Shapoval hielt die Keynote "What sources help in researching the Holodomor?" auf der internationalen Konferenz "Holodomor in a global perspective" an der University of Cambridge.
- 15. September 2023. Yuri Shapoval beteiligte sich an der Rundtischdiskussion "the Last Soviet Famine, 1946-1947" an der École des hautes études en sciences sociales, EHESS.
- 9.-10. November 2023. Önder Cetin präsentierte das Projekt beim ersten Jahrestreffen des Forschungsnetzwerks HSU-Interregio (Interdisciplinary and interregional research, development and networking in heritage language education), koordiniert von der Universität Duisburg-Essen.
- 28.-30. November 2023. Önder Cetin stellte das Projekt einer Gruppe polnischer Forscher der Universität Opole, Institut für Geschichte [Pracownia Badań nad Podręcznikami Historii] während ihres Besuchs am GEI vor.
- 10.-11. Oktober 2024. Önder Cetin präsentierte und diskutierte die Projektergebnisse hinsichtlich des "Potenzials und der Herausforderungen bei der Nutzung von HSU als Mittel zur Förderung der Diversity-Bildung" in einer BarCamp-Session im Rahmen des zweiten Jahrestreffens von HSU-Interregio an der Universität Duisburg-Essen.
- 28. Oktober 2024. Imke Rath und Yulia Ostropalchenko präsentierten und diskutierten die entwickelten ukrainischen Module mit einer Gruppe von Dozierenden und Studierenden der Universität Bila Tserkwa, Ukraine, die das GEI im Rahmen eines von MOCT - Brücke der Freundschaft eV organisierten Studienbesuchs besuchten.
Öffentliche Veranstaltungen
- 12. Dezember 2023. Katarzyna Jez und Önder Cetin schlossen sich dem GEI-Team an, um das Projekt im Landtag im Rahmen der "Leibniz im Landtag"-Treffen zu präsentieren.
- 30. Mai 2024. Önder Cetin und Yulia Ostropalchenko präsentierten das Projekt am Tag der offenen Tür des GEI.
- 11. Juni 2024. Katarzyna Jez präsentierte das Projekt im Bundestag im Rahmen des Programms "Leibniz im Bundestag".
Publikationen
- 2024. In Bezug auf einen der in den Lehrmodulen präsentierten Fälle veröffentlichte Önder Cetin den Artikel "Deconstructing the Turkish Jewish identity of Çanakkale between Silence and Speaking out: Nostalgia as an Exit-Strategy" in Memory Studies, zunächst online am 17. Februar 2023, der in Vol. 17, Ausgabe 4 der Zeitschrift erschien.
- 2024. Die Projektbroschüren, verfügbar in Deutsch, Englisch, Polnisch, Türkisch und Ukrainisch wurden von Önder Cetin verfasst und von Julia Franzmeier aus dem Team für Akademische Kommunikation des GEI im Februar 2024 für die öffentliche Verbreitung gestaltet.
- 2024. Eine Projektbeschreibung wurde in den Jahresbericht 2023 des GEI aufgenommen.
- 2025. "Revisiting HSU as a means for diversity education: 'Vielfaltsgeschichten' as a pilot project" von Önder Cetin wird voraussichtlich als Kapitel im Sammelband des HSU-Interregio-Projekts im Dezember 2025 beim Waxmann Verlag erscheinen.